Arabisches zur Marienkrönung



Details in einem Gemälde des Paolo Veneziano



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Paolo Veneziano, Marienkrönung mit Engeln, Thronbehang, gegen Mitte des 14. Jahrhunderts, Venedig, Accademia, Saal 1, Tempera auf Holz, 1,42 x 0,90 m, Accademia, Venedig



Jesus krönt Maria zur Himmelskönigin. Die mit Tempera von Paolo Veneziano bemalten fünfzehn Holztafeln stehen in der Accademia zu Venedig im ersten Saal gleich beim Treppenaufgang. Mit der Linken hält der Erlöser den haarfeinen Stab, der sich kaum aus den Goldsäumen der Gewänder abhebt. Er blickt zu dem Diadem, während er es auf den Schleier der Frau niedersenkt.. Der Thronbehang wird von zwei Engeln aufgespannt. Das gewellte Schriftband in der Mitte zwischen den beiden ist arabischen Lettern nachempfunden. Eine Anordnung von Schriftzeichen, gestreckte, überlängte, punktierte Phrase einer exotischen Seligpreisung oder eines Segensspruches wiederholt sich in der Art muselmanischer Kalligraphie. Sie verläuft über eine aufwärts geneigte Lineatur. In der räumlichen Wirkung sind die Tiefenschichten der beiden Figuren genausowenig unterschieden, wie ihr Abstand von der goldblütenübersäten Stofffläche des Hintergrundes.
Der Stoff des Thronbehanges wallt so, dass eine schmale Tiefenschicht vorstellbar wird, auf der die beiden Gestalten von Mutter und Sohn sitzend Platz finden. Schattierungen an Häuptern und Gliedmaßen, der vorsichtig begonnene Faltenwurf, dessen Biegungen und Kehren zu plötzlichem Abbrechen des Stoffmusters führen, hauchen den beiden Personen Leben ein. Das Studium des Gespinstes aus unglaublicher Ferne regt an zum genauen Verfolgen dreidimensionaler Zusammenhänge. Die wohlgesetzte, nach geheimnisvollen Regeln aus einer fernen Welt komponierte Schrift lädt ein zur selbstvergessenen Nachschöpfung. Die unerhört stilisierten, ungemein fein durchgestalteten Schmuckformen sind geschaffen, um andächtige Betrachtungen zu inspirieren. Die getreulichen Wiederholungen und sachten Variationen der Grundmotive setzen die Engelsmusik in einen sinnreich wechselnden Reigen goldener Zeichen um.
Die Umhänge der beiden Figuren vermeiden konsequent gegenseitige Überschneidungen, als ob sie nicht entscheiden wollten, ob eine der beiden in den Vordergrund zu stellen sei. Als willkommener Ausweg bietet sich die ornamentale und skripturale Auflösung des Raumes an. Die magisch fremdartige Schrift schafft eine Trennung der beidenen Charaktere, verwischt die ungeklärte Tiefendimension, indem sie Umrisslinien aufnimmt, Gewandfalten nachspielt und die Frage der Rangfolge vergessen läßt. Die mechanische Vervielfältigung der Blütenpracht steuert das ihre bei zur schmucken, der Grundfrage ausweichenden Mehrdeutigkeit. Werden innere Widersprüche christlichen Selbstverständnisses als frevlerische Vorspiegelungen der Ungläubigen erklärt ? Ist der umwerfende Taumel tiefgründiger goldener Zeichen ein Aufruf zum begeisterten, unbedingten, näheres Fragen übersehenden Glauben ? Wird unbedacht islamische Eleganz nachempfunden im teuherzigen Versuch, fremde Würdeformen der christlichen Malerei anzupassen ?

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Die Malerei tritt über ein architektonisch aufgefasstes Gerähm mit dem Kirchenraum in Verbindung. Die Fialen und Kreuzblumen, die Säulen, Kapitelle, Basen, vermitteln und begrenzen das Heilsgeschehen. Die mittlere Tafel wird von einer triumphbogenähnlichen Einfassung umgeben, von einem Tympanon bekrönt. Das einer Ikonostasis gleichende Rahmenwerk scheint dem griechischen Bühnenhaus, der "skenae" zu folgen. Wie auf einer Simultanbühne rollen die Szenen der Passion gleichzeitig ab. Die Franziskuslegende wird in kleinerem Maßstab ausgeführt. Der Höhepunkt, die Marienkrönung ist vergrößert. Im Mittelpunkt steht eine sternengesämte, strahlenumkränzte Scheibe, die Himmelsrund, Erdenkreis, aufgehende Sonne anklingen lässt. Der Goldgrund setzt sich auf der umgebenden Schnitzerei fort. Die goldene Kreisform des christlichen Nimbus wird aufgegriffen vom Rundbogen des hinter der Abendmahlsszene stehenden, einer Basilika ähnelnden Hauses.


Die Wiedergabe der räumlichen Verhältnisse dient wie die Ornamentik einer behutsamen Unterstreichung, einem tastenden Nachvollziehen der biblischen Hauptsache. Die bedeutungsschwere Handlung wird aufgegriffen, umgesetzt, mit einem in ähnlichem Takt und Rhythmus spielenden Instrument vorgetragen. Eine hinweisende, hervorhebende, oder gar stimmungsschaffende Funktion kommt ihnen nicht zu. Das Orange des Thronbehanges wird für die Kulissen um den Stall zu Bethlehem genauso verwendet, wie für den Umhang des Simon von Zyrene. Das Rot des Sitzkissens der göttlichen Hauptpersonen schmückt Engelskleider, Apostelroben und die Standfläche unter Johannes dem Täufer.

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Bemalte oder im Stoff gemusterte Textilien sind reizvolle Schmuckstücke. Sie zieren und putzen den Körper für den Tag. Sie umhüllen kostbare Gegenstände, legen aber genauso dauerhaft Zeugnis ab. In ihren Linien, Figuren und Zeichen lässt sich Schrift bewahren. Die Neigung des Schreibenden, seine Geschwindigkeit, sein geläufiges Vordringen im Text schenken der Stoffbahn die Spur des flüchtigen, im Duktus des Skripturalen zusammengefassten Augenblicks. Gewebe können beurkunden, absichtlich für künftige Zeiten behandeln, was an bildlichen und wörtlichen Erinnerungen zu formulieren ist. Sie sind leichter zu falten, kleiner zusammenzulegen, als Pergamente oder Papier. Sie sind besser zu bergen, zu verlagern, als in Stein Gehauenes, Geschnittenes. Die Textilkunst ist auf kleine Formen ausgerichtet, bemüht sich, tragbar zu bleiben, sich unterwegs zu bewähren.
Schrift beugt sich der Geschwindigkeit, neigt sich in Eile, richtet sich auf mit der Zeit. Die Seide, der Damast, Samt und Velour folgen bedächtig. Sie bewundern den freien ungehemmten Schwung, vermögen in würdige Formen zu übertragen. Aus dem rhythmischen Ablauf, dem flinken, flüssigen Aufschreiben Begonnenes verfestigt sich. Der sichere aber flüchtige Strich, das eilends aufgetragene Kürzel bekommt erhabene Haltung. Sonst schnell Vergängliches wird auf den Weg durch Jahrhunderte und Kontinente geschickt.
Aus alter Zeit melden sich Handbewegungen, aus fernen Ländern stehen ausdrückliche Haltungen, sicher gesetzte Akzente, streckenweise gehaltene Tempi vor Augen. Vor dem lebendigen Zug der geschickten Finger, der geübten Handbewegungen erstaunt ein europäisches Publikum, das pflegt, in steingehauenen Ewigkeiten zu denken. Der selbstsichere Vortrag aus den unvorstellbaren Fernen beflügelt, begeistert, beschämt die abendländische Tradition des Konstruierens, Auszirkelns, schnurgeraden, gleichförmigen Aufreihens, geometrisch sich wiederholenden Vermessens.

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Besteht nicht zu der innerlich freien, die Regeln angemessen verwandelnden antiken Tradition ein verborgener Zusammenhang ? Lässt sich in der Botschaft aus undenklicher Fremde das vermisste Eigene, das in der abgedroschenen Wiederholung verlorene, die wahre Überlieferung der Alten neu entdecken ? Sind die Laster der sich einförmig fortsetzenden hiesigen Kultur zu überwinden in der Besinnung auf herausfordernd Ungewöhnliches, das selbstverständlich Vertrautes auf die Probe stellt ?


Venedig holt ausgefeilte Bildkompositionen in das Land, führt Farbkombinationen ein, erwirbt einen Formenvorrat, der weit über den Nutzen der Gestaltung von brauchbarem Hausrat hinausgeht. Das Vermögen, sich auf neuen Wegen Schönes auszumalen, wird bereichert. Der Einsatz der bunten Fäden im flächendeckenden Zusammenspiel nach einem feinen, unterschwelligen gemeinsamen Gleichklang wird geübt. Eigenarten bleiben bestehen in der unaufdringlichen Ausrichtung. Die ausgefallene Besonderheit wird im ausgewogenen Ganzen zum geistreichen Augenschmaus. Gewagtes kann sich auf ruhigem Grund entfalten. Die beständige, austarierte Gesamtheit lädt ein zum regelverletzenden Einfall, zum unvermutet verwegenen Auftritt.

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„Die Formenwelt, bei der die Italiener Anleihe taten, war vorwiegend fernöstlichen Ursprungs, nur teilweise mitgeprägt von islamischem Formgefühl oder bereichert mit pseudoislamischen Inschriften, wie etwa bei Paolo Venezianos Thronbehang der Marienkrönung in der Accademia von Venedig. Islamische Inschriften auf chinesisch anmutenden Stoffen sind in dieser Zeit keine Seltenheit. Es sei nur an die vielbesprochene Gewebegruppe erinnert, von der die sogenannten Regensburger Heinrichsgewänder und der Papageienstoff aus Danzig und Berlin die bekanntesten Stücke bilden. Auch sie tragen islamische Inschriften, Eulogien, , von denen die des Papageienstoffes sich auf einen bestimmten Mameluckensultan, nämlich Muhammad Nasir eddin (1309-1340) bezieht. Man pflegt sie daher als im Auftrag entstandene oder für Geschenke bestimmte Erzeugnisse zu halten, deren Herstellung dem mit chinesischer Form und Technik vertrauten , stark von mohammedanischer Bevölkerung durchsetzten und damals weit nach Westen vorgedrungenen Mongolenreich zu verdanken ist. Unter ähnlichen Voraussetzungen wird man die für die venezianischen Maler verbindlichen Gewebe betrachten können.“ 1


Das fremde Gespinst vermittelt einen Eindruck vom unglaublichen Entwicklungsstand der Seidenzucht, der Spinnerei, der Weberei, der Färbemethoden. Die kaum fassliche Perfektion im Umgang mit den zarten Kokons, den hauchfeinen Fäden, den durchscheinenden Textilien hebt überkommene Ansichten von Stoffherstellung aus den Angeln. Vordem war Gewirktes, Gestricktes bestenfalls besonders sorgfältig gearbeiteter Wetterschutz. Jetzt ist aus dem alltäglichen Überwurf ein Traum geworden. Notdürftig die schändlichen Blößen Bedeckendes wird schwerelos, streift alle Spuren der mühseligen Herstellung ab, erhebt sich zu einem geistvollen, federleichten Gebilde, indem sich ungehemmt Phantasien ausdrücken. Die Textilie entfaltet ihren Zauber im liturgischen und feudalen Auftritt. Sie wirkt genauso auf den ungläubigen Fremden, den fernen Händler und Sammler. Noch im kleinsten Fetzen sind die Fingerfertigkeit, der ausgeklügelt zarte Umgang des Webstuhls mit den empfindlichen Fäden und das überlegene Planungsdenken beim Anlegen der Muster ablesbar.


Beziehungen in den Orient werden bereits in der Antike gepflegt. Eine alte Karawanenstraße führt durch Turkestan. Aristoteles erwähnt in seiner „Historia Animalium" die Seidenraupen. Horaz und Virgil kennen die Seide, die aus der Ferne in das römische Reich gebracht wird. Den Griechen gelten die Bewohner Chinas als "seres", Seidenleute. Produkte aus Cathay kommen seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert auf der Seidenstraße nach Rom.2 Die Seide ist der zweite wichtige Beitrag Chinas zur abendländischen Kultur nach dem Papier. Ihre Verwendung für liturgische Zwecke, Gewänder geistlicher Würdenträger, als Zeichen der Macht ist mustergültig. Plinius kennt den feinen Stoff, beklagt die jährlichen römischen Ausgaben in Höhe von hundert Millionen Sesterzen für diesen ausländischen Luxus. Er beschreibt, wie das exotische Tuch zum Statussymbol in Rom wird.3

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Seidenbrokat von den Paramenten Papst Benedikts XI. aus Perugia, China, 13. Jahrhundert, New York, The Metropolitan Museum of Art, Purchase 1919, The Rogers Fund

Seidengewebe, Ausschnitt aus der Kasel des heiligen Willigis aus Aschaffenburg; Syrien (?), um 1000, München, Bayerisches Nationalmuseum

Seidengewebe, Italien, 14. Jahrhundert, Wien, Österreichisches Museum für Angewandte Kunst, Tela d'oro filato, broccata in seta verde, bianca e azurra di manufattura venziana a influenza cinese. Inizi del secolo XV.



Ende des dritten nachchristlichen Jahrhunderts berichtet ein Mönch über die Künste der Chinesen, deren Stoffe oft über die islamische Welt, meist Damaskus nach Europa kommen. Im 13. Jahrhundert versuchen die Päpste, die Mongolen als Bundesgenossen gegen den Islam zu gewinnen.4 Gewebe kann als als Nachweis solcher Verbindungen dienen. Unveröffentliche Verzeichnisse des 13. bis 17. Jahrhunderts aus venezianischen Kirchen belegen, dass bildliche Zeugnisse in der Lagunenstadt schon sehr früh bekannt waren, geschätzt und bewahrt wurden.5 Venedig hat im 9. Jahrhundert enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zum Osten. Gold- und silberdurchwirkte Seide aus Venedig ist bereits im 11. Jahrhundert bekannt. Nicht zuletzt infolge Marco Polos Reise mischen sich chinesische Elemente in die venezianische Seidengestaltung.

Venedig ist in dieser Zeit eine prächtig blühende Handelsbasis, der es möglich ist, zwischen Ost und West zu vermitteln. Im 15. Jahrhundert wird die Seidenproduktion eine wichtige Einnahmequelle für die Stadt. Sie ist ein Umschlagplatz für Seide aus dem Orient.6 Am Beginn des 15. Jahrhunderts kommen Seidenweber und Händler aus Lucca auf der Flucht aus ihrer besetzten Heimatstadt. Guelfische Meister aus Lucca wandern nach Florenz, Genua, Bologna und Mailand und Venedig aus. Ungefähr 300 Seidenspezialisten ziehen nach Venedig. Sie werden unter den Schutz der Regierung gestellt und von Steuern befreit. Sie richten Werkstätten und Geschäfte für Seide ein und bringen neue Arbeitsverfahren mit. Venezianische Schmuckformen sind stark vom Orient beeinflusst. Sie führen zur Entwicklung einer sehr qualitätsvollen Seidenproduktion, die sich auf einen Überfluss an Einfällen und überlieferte Ornamente stützen kann. Im 16. Jahrhundert wird Seide aus Syrien, der Türkei und Persien importiert.


Bereits in der Mitte des 13. Jahrhunderts richten Bürger von Lucca eine Handelsniederlassung in Acri in Syrien ein, importieren bereits seit dem 12. Jahrhundert Seide aus Georgien, aus Gensha, Gjislan, Talidj. Der Seidenhandel wird in Kompanien organisiert, die einzelnen Familien gehören und die nach marktbeherrschenden Positionen streben. Im vierzehnten Jahrhundert wird eine Tierwelt entwickelt, die östliche Vorbilder mit Gotischem verbindet. Der Pfau hat seine ursprüngliche Heimat in den Wäldern Indiens. Seine heraldische Rolle dort entspricht der unseres Adlers. Er gilt als schönster Vogel der Schöpfung, dient der Göttermutter Hera als Begleiter, trägt die Seele römische Kaiserinnen in den Himmel.7 Der Phönix wird erwähnt im "Physiologus“, einer Ikonographie des frühen Mittelalters. Er verbrennt nach einer äthiopischen Legende fünfhundert Jahre lang auf dem Scheiterhaufen und erwacht dann zu neuem Leben. Phantastische chinesische Motive werden übernommen : Drachen, Hunde, vielfarbige Papageien, Wildschweine, Paviane, Leoparden, Adlerphönix, Löwen mit Menschenhaupt, der sagenhafte rote Paradiesvogel. Maurische Buchstaben werden zu reinen Schmuckzwecken eingesetzt zur Gliederung oder Auflockerung der Illustrationen. Der Webrahmen als rechtwinklige Vorgabe erfordert Flächengeometrisierung, Rhythmisierung.


Dante zeigt in Bildern der Dichtung die Zwiespältigkeit des abendländischen Verhältnisses zum Islam. Er gibt Mohammed die Schuld an der Spaltung des Glaubens an den einigen Gott: "seminator di scandalo e di schisma". Dieser muss büßen unter der höllischen Qual, in ewiger Wiederholung zerrissen zu werden. Der gerechte Herrscher Saladin wird besser behandelt. Der nordwestlich von Bagdad geborene Saladin erobert Jerusalem, schließt mit Richard Löwenherz Frieden, garantiert christlichen Pilgern den Zugang zum heiligen Grab, läßt gefangene Kreuzritter in ihre Heimat zurückkehren. Saladin bleibt wie der Arzt Avicenna und der Philosoph Averroes vom Paradies ausgeschlossen. Aber sie werden im Vorhof der Hölle von Martern bewahrt. Vorbildlichen Denkern, Weisen und gerechten Herrschern der islamischen Welt wird die Pein des Höllenschlundes erspart. In einem Vorhof, unerlöst und unverdammt, zeugen sie vom Zwiespalt einer abendländischen Auffassung, der kulturelle und und geistige Leistungen des Gegners geläufig sind. Aber selbst nach dem Weltenende sind die Gegensätze nicht aufgehoben, ist die Versöhnung nicht restlos und endgültig.>


Berichte von Reisenden, zurückgekehrten Gefangenen und Gelehrten über die Türkei und den Islam, werden in der Epoche vom Humanismus bis zur Aufklärung wissbegierig aufgenommen. Das klassische Bürgertum fragt nach dem zukunftsträchtigen Neuen. Es gibt sich nicht mehr mit frommer, aber oberflächliche Kritik zufrieden. Seiner selbst sicher, will es das Fremde kennenlernen. Es fragt nach Werten, die für die gesamte Menschheit Gültigkeit besitzen. Die aufgeklärte Öffentlichkeit ist ergriffen von dem Bewusstsein, dass das wahre Humanum nicht getroffen wird, wenn es nicht auch das umfasst, was dem Gegner Selbstverwirklichung gibt. Wer etwas sagen will über den auf das Neue gerichteten Menschen, muss auf den Islam blicken.8


In der Serenissima herrscht ein gutes Verhältnis zu den Türken. 1480 stellt ein durchreisender Franzose fest, die Venezianer hätten wohl ihren Frieden mit den Türken gefunden. Der türkische Botschafter kleidet sich in rotgeblümten Samt und zieht sich zur Feier des Pfingsttages ein goldglänzendes Gewand an. Auf Märkten verkehren Mohren, es gibt Beziehungen zum Königreich zu den afrikanischen Küsten, etwa zum Königreich hafsida in Tunesien. Bereits 1346 wird schriftlich über den Salzpreis verhandelt. Man einigt sich über Maßnahmen gegen Piraten, Freilassung christlicher Sklaven oder venezianischer Kaufleute, die infolge ihrer scorrerie festgesetzt wurden. Der Senat verzeichnet entsprechende Lösegeldzahlungen. Als die Ritter von Rhodos 200 Muselmanen gefangen nehmen, macht der Senat seinen ganzen Einfluss geltend, stellt eine imponierende Flotte zusammen, um den freien Umgang mit dem Orient sicherzustellen. Wenn ein Berberhäuptling mit einem Sultan verhandeln will, kommt er nach Venedig. 1507 hält sich der mamelukische Botschafter Tanriverdi in Venedig auf, um über Pfefferexport zu verhandeln. Es gibt jährlich eine Seefahrt in die Berberei.



Das Register des venezianischen Senats im Jahre 1530 erwähnt den Edelmann "Thoma Mocenigo". Er dient als Botschafter in Konstantinopel und macht sich erbötig, den Kirchen von San Marco und seiner Pfarrei San Samuele, goldene Kasaks, die er von "Ser.mo Sig Turco" geschenkt bekam, zu überlassen, sodass daraus "Paramente, Pivialen und anderes“ hergestellt werden können.9 Die Verbindungen Venedigs nach der Levante sind in den Botschaftsakten nachzulesen. Mocenigo berichtet für das Jahr 1530 seinem Senat über Einnahmen aus Salinen, Bergwerken, Fischgründen und Viehweiden in Griechenland und Anatolien. Insgesamt 900.000 Dukaten kommen aus Kairo. Mit dem Seidenhandel in Damaskus und Aleppo ließ sich eine Dreiviertelmillion venezianischer Goldmünzen erlösen. Dem stehen Aufwendungen für Fußvolk und Reiterei, Sozialausgaben, Kontaktpflege mit den Muftis, Spesen in Rhodos, Belgrad, Smyrna und Gallipoli gegenüber. Der Reingewinn beträgt fast zwei Millionen Zechinen. 10


Albert Ottenbacher Gotthardstr. 68 80689 München Tel./FAX 0049/89/563815

1   Brigitte Klesse, Seidenstoffe in der italienischen Malerei des vierzehnten Jahrhunderts, Bern 1967, S. 73

2   Cyril G. E. Bunt, Chinese Fabrics, London 1961, S. 9

3    Mario Bussagli, La Seta in Italia, Rom 1986, S. 41

4    Paul Merker, Wolfgang Stammler, Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 2, Berlin 1977, S. 858

5    Luca Molà, Reinhold C. Mueller, Claudio Zanier, La seta in Italia dal Medioevo al Seicento, Dal baco al drappo, Venezia 2000, S. 75 ff.

6    L' Arte Serica da XII al XX Secolo, Le Vie della Seta in Italia, Treviso 1990, S. 6

7    Alain Gruber, Vögel, Vogeldarstellungen auf Textilien vom 13. bis zum 20. Jahrhundert, Ausstellungskatalog, Abegg-Stiftung, Riggisberg 8.5. - 1.11.1988, S. 9

8    Siegfried Wichmann, Weltkulturen und moderne Kunst, München 1972, S. 14

9    Luca Molà, Reinhold C. Mueller, Claudio Zanier, La seta in Italia dal Medioevo al Seicento, Dal baco al drappo, Venezia 2000, S. 75 ff.

10   Maria Pia Pedani-Fabris (Hrsg.), Relazioni di Ambasciatori Veneti al Senato, Bd. 14, Costantinopoli, Relazioni inedite (1512  1789), Padua 1996, S. 43 ff