Stanley Kubrick
Wege zum Ruhm in Schloß Schleißheim
Stanley Kubrick wird am 26. Juli 1928 in Manhattan geboren. Er wächst auf in der Bronx. Später erinnert er sich : mein Vater arbeitete dort als Arzt. Meine Eltern wollten, daß auch ich Arzt werde und Medizin studiere.1 Bereits als Kind interessiert er sich für die Fotografie. Im Elternhaus an der Harrison Avenue 1873 darf er eine eigene Dunkelkammer einrichten. Mit dreizehn Jahren bekommt er eine Graflex-Kamera von seinem Vater. Der schwere, professionelle Apparat bietet kurze Verschlußzeiten für Momentaufnahmen und läßt sich mit einem Reflexsucher genau scharfstellen. So entstehen Beiträge für den Fotoclub an seiner Highschoool. Sein Kunsterzieher Herman Getter hat selbst Schmalfilme über künstlerische Techniken hergestellt. Kubrick entsinnt sich später der anregenden Diskussionen über Film im Unterricht.2
Sein Großvater Elias ist 1902 aus dem Städtchen Probuzna im österreichischen Ostgalizien nach New York gekommen.3 Der Teenager Kubrick interessiert sich für Geschichte. Als er 1942 die Novelle Paths of Glory von Humphrey Cobb liest4, ist er beeindruckt. Der Titel stammt aus der schwermütigen Zeile in einem romantischen Gedicht : Die Wege des Ruhms führen aber in das Grab. Ein völlig erschöpftes französisches Regiment, muß an die Front zurückzukehren um eine stark befestigte deutsche Stellung zu erobern, weil der Heeresbericht die Einnahme irrtümlich verzeichnet hat. Der Sturmangriff endet in einem Blutbad. Allein Kanada hat im Ersten Weltkrieg 66,655 Tote zu beklagen. Die Vereinigten Staaten verlieren 112,432 Menschen. Deutschland erklärt im Dezember 1941 den Vereinigten Staaten den Krieg. Als kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges Präsident Roosevelt stirbt, steht die amerikanische Armee an der Elbe. Ihre Panzer könnten bald Berlin erreichen. Stan Kubrick fotografiert einen betrübten Zeitungsverkäufer inmitten der Schlagzeilen an seinem Kiosk. Das Magazin Look kauft dieses Bild und veröffentlicht es unter dem Namen des Siebzehnjährigen. Die stolze Mutter Gertrude klebt die herausgetrennten Artikel in ein Album und hält handschriftlich die Erscheinungsdaten fest.
1948 nimmt Kubrick den Maler George Grosz auf, der vor dem Nationalsozialismus nach Amerika geflüchtet und mittlerweile eingebürgert ist5. Die Zeitschrift The New Yorker hat bereits viermal über den Yankee aus Berlin berichtet. Seine Autobiographie Ein kleines Ja und ein großes Nein ist in New York erschienen. Der Meister trägt Krawatte, Nadelstreifenanzug, polierte Halbschuhe. Manschetten und Zigarre in der Rechten spielen an auf die vornehme Gegend zwischen dem heutigen Museum of Modern Art, Tiffany und Saks. Ein Herr mit Mantel und Hut hat soeben die Lücke zwischen einem Parkverbotsschild und dem Porträtierten passiert. Grosz sitzt seelenruhig inmitten des Gehsteigs der Fifth Avenue rittlings auf einem Sessel und schaut aufmerksam in die Linse des wunderkind photojournalist.6 Dem Grafiker, der selbst Passanten im Berlin der Zwanziger Jahre aufs Korn nahm, scheint zu gefallen, wie der junge New Yorker den flotten Fußgängerverkehr in seinen Bildaufbau einbezieht.
Der Maler Henry Koerner steht neben seiner Staffelei vor einem offenen Kamin. Auf dem Sims liegt neben einer Vase mit Rosen eine Kinderpuppe. Darüber sind Zeichnungen drapiert. Er hat an der Wiener Kunstgewerbeschule studiert und mußte nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht vor rassistischer Verfolgung fliehen. Nach 1945 zeichnet er die Angeklagten der Nürnberger Prozesse.7 Mit wütenden Federstrichen rückt er den Hauptverantwortlichen der Kriegsverbrechen und der Shoah auf den Leib. Von erhöhtem Standpunkt schaut er auf Schacht, Seyss - Inquart und Streicher, Göring und Hess. Als sein Militärdienst beendet ist, kehrt er zurück nach Brooklyn. Im Atelier des in Litauen geborenen Bildhauers Jacques Lipchitz ist die Skulptur Mutter und Kind zu erkennen, die den Kubismus mit pflanzlich schwellenden, verschlungenen Formen weiterführt. Lipchitz ist 1941 aus Frankreich nach den USA geflohen, wo er nunmehr seinen ständigen Wohnsitz hat und fühlbaren Einfluß auf die jüngere Generation ausübt. Die Sinnbildlichkeit des Spätwerkes, seine Verwurzelung in den Zonen gläubiger Überzeugung, hängt mit den politischen Ereignissen, vornehmlich mit der Judenverfolgung zusammen.8
390 Negative berichten von Kriegswaisen, wie dem fünfzehnjährigen Jack Milnik, der aus Polen geflohen ist und in Amerika ein neues Leben beginnt. Der junge Kubrick wird von erfahrenen Kollegen geschätzt und gilt bald als einer der talentiertesten Hausfotografen der großformatigen Illustrierten.9 Im März 1947 fertigt er Reihenbilder von Zuschauern auf der Aqueduct Rennbahn, folgt systematisch den Gefühlsstürmen einer Gruppe von Männern auf der Tribüne. Die Hemdsärmeligen drehen sich gemeinsam, grimassieren zwischen Hoffnung und Fassungslosigkeit beim Einlaufen der Pferde in das Ziel. Kubrick beobachtet mit hochsensiblem Film, langer Brennweite und kurzer Verschlußzeit das selbstvergessene Mienenspiel der Wettbegeisterten. Look berichtet 1948 von dem talentierten Burschen mit den braunen Augen : In seiner Freizeit experimentiert er mit der Kinematographie und träumt von dem Tag, an dem er Dokumentarfilme machen kann.10 Er studiert die Filme von Max Ophüls, die Regiemethoden von Stanislawski, die Theorien des Wsewolod Pudowkin, der erklärt : Man kann versuchen, mehr zu erblicken, als man von einem Punkt aus sehen kann. Man kann sozusagen nicht nur schauen, sondern auch anschauen, nicht nur sehen, sondern auch verstehen, nicht nur wiedererkennen, sondern auch erkennen.11
Stanley geht gerne in Loew's Paradise an der East 188th Street. Der Filmpalast ist im Stil des italienischen Barock ausgestattet mit stuckierten Gewölben, Wandbrunnen, schweren Lüstern, Kandelabern, einem indirekt beleuchteten Wolkenhimmel und Statuen, die eines Schlosses würdig sind.12 Filmbibliothek und Vorführungen des Museum of Modern Art stehen dem Filmstudenten offen. Zu den Beständen des Filmmuseums gehört Intolerance von David Wark Griffith aus dem Jahre 1916 in einer vom Meister selbst erworbenen, farbig getönten über dreistündigen Fassung. Kopien des Panzerkreuzer Potemkin von Sergei Eisenstein und von Der Mann mit der Filmkamera des Dziga Vertov stehen bereit. Lumière, Méliès, Léger und Renoir sind vertreten. Der dreiminütige Experimentalfilm Rhythmus 21 des Deutschen Hans Richter, der Dokumentarfilm von Robert Flaherty über den Eskimo Nanook gehört zu den Schätzen der dauernden Filmsammlung.13
Kubrick besucht das Cinema 16 des Amos Vogel.14 Dem Filmclub gehören 7000 Mitglieder an. Seine Vorführungen füllen Säle mit bis zu 1500 Zuschauern. Durch die rege Verleihtätigkeit Vogels haben diese Programme auch außerhalb New Yorks große Wirkung. Der Cineast ist 1921 in Wien geboren, hat 1936 noch in der Urania am Donaukanal Flahertys Night Mail bewundert. Im März 1938 erfährt er plötzlich, daß ich ein Krebsgeschwür sei, das ausgerottet werden mußte. Ich wurde aus der Schule geworfen, weil ich Jude war. Eines Tages, bei Einbruch der Dämmerung, entdeckten meine Freundin und ich, daß unsere Lieblingsbank am Donaukanal - wo wir immer gesessen waren und uns geküßt hatten - plötzlich ein neues Schild zierte: Hunden und Juden ist es verboten, hier zu sitzen'.15 1939 muß er vor den Nazis in die USA fliehen. 1947 gründet er in New York sein Kino als deutliche Alternative zum kommerziellen Kinoangebot.
Kubrick benutzt Infrarotfilm, um im dunklen Zuschauerraum eines Kinos zu fotografieren. 1949 richtet er seine Kamera in einer Reportage über Chicago Stadt der Gegensätze auf den regennassen nächtlichen Asphalt vor einem Kino, dessen Leuchtanzeige für He Walked by Night wirbt. Am State-Lake Theater ist ein Taxi vorgefahren. Der rechte Wagenschlag ist offen, verwischt ist ein aussteigender Fahrgast zu ahnen. Überlandbusse parken. Der äußerst empfindliche Film nimmt die Scheinwerfer der stromlinienförmigen Fahrzeuge, die lange Reihe der Straßenlaternen kontrastreich auf. Durch neuartige Vergütung ist die Lichtstärke der Fotoobjektive beinahe verdoppelt worden. Der Super XX-Film, den Eastman Kodak im Jahre1938 anbietet, hat eine Empfindlichkeit von 160 ASA (23 DIN)16, die sich mit einem geeigneten Entwicklungsprozeß noch weiter steigern lassen dürfte.
Auf dem hell erleuchteten Platz unter dem Vordach des Chicago Theater gegenüber warten Menschen, treffen sich zum Kinobesuch. Das Bild lädt zum abendlichen Bummel. Glänzende Autos drängeln sich in zweiter Reihe. Selbst ihre verchromten Stoßstangen und Kühlerfiguren sind zu sehen. Zwei Straßenbahnen begegnen sich. Im Vordergrund weisen ihre Schienen über eine Weiche zur Lake Street, die zum Michigansee führt. Die Station State/Lake der Stadtbahn, von der Kubrick fotografiert, besteht noch heute.17 Der Blick geht in nördlicher Richtung zum Fluße Wabash und zum Turm der IBM. Die Trambahnen sind einer Untergrundbahn gewichen. Kubrick entwickelt mit neuem Filmmaterial die sozialdokumentarische Fotografie weiter. Ihr Klassiker Walker Evans nimmt 1946 in Detroit zufällige Straßenporträts auf. Subway Porträts entstehen seit dem Ende der Dreißiger Jahre in der Untergrundbahn von New York.18
Bei Tag wandert Kubrick über Schulhöfe und Märkte, porträtiert die Hausfrau beim Einkaufen, die Spieler, Musiker in ihren Clubs, die Boxer und Ringkämpfer in der Arena. Die Bildreportage vergleicht Arbeitsplätze von Stahlarbeitern und Verkäufern, konfrontiert die Dame im Appartment mit Seeblick, die reich gedeckte Tafel im Luxusrestaurant mit dem Kanonenofen, auf dem eine Afroamerikanerin für ihre Kinder kocht. Der Fotoreporter kümmert sich um Zirkus, Baseballspiele, Mode und einen Wettkampf im Aufblasen von Kaugummis. Seine Porträts zeigen Präsident Eisenhower, Frank Sinatra, Montgomery Clift, Doris Day. Die 51 Kontaktbögen der Jazz story spielen im nächtlichen New Orleans, Los Angeles und New York City. Andere Bildberichte handeln von einem Schuhputzerjungen, oder dem Jackson Park Sanatorium für Kinder mit rheumatischem Fieber. Vor dem Waisenhaus Mooseheart in westlich von Chicago weht das Sternenbanner. Die Schüler tragen Uniformen. Ein Kadett mit militärisch korrekter Frisur arbeitet an einer Büste von Abraham Lincoln. Die jüngsten Schützlinge der großen Anstalt sind in einem Kinderdorf untergebracht.
Kubrick fotografiert am 27.7.1950 ein News Team des Senders CBS, das über den Korea Krieg im Fernsehen berichtet. Das Vordringen nordkoreanischer Truppen über den 38. Breitengrad nach Süden, ein Hilferuf Südkoreas und der Aufruf des UN-Sicherheitsrates, Südkorea Hilfe zu leisten, veranlassen Präsident Truman, amerikanische Streitkräfte dorthin zu entsenden. An dem Tag, als General MacArthur seine Marinesoldaten in die Schlacht wirft, registriert die Gesellschaft der Filmproduzenten mehrere Dutzend Titel, die das Wort Korea enthalten. General MacArthur spricht sich 1951 öffentlich für die Bombardierung von Stützpunkten in China und für einen bedingungslosen Siegfrieden in Korea aus. Der beste Film Hustons, Red Badge of Courage" (Die Flagge des Mutes), 1951, verficht vor dem Hintergrund des Sezessionskrieges in einer geschickten Nachahmung des Griffith-Stils die übliche These Hollywoods: die Armee verwandelt Feiglinge in Helden, sofern diese nicht zu ergründen versuchen, warum sie kämpfen.
Mit Zwanzig versucht sich Kubrick als Filmemacher. Sein erstes Werk, das er selbst schreibt, inszeniert und fotografiert, ist der 16 Minuten lange dokumentarische Streifen Day of the Fight. Das Federwerk der benutzten Eyemo-Kamera muß mit einem Schlüssel aufgezogen werden. Das Holzstativ erlaubt, die verhältnismäßig leichte Kamera in der Höhe zu verstellen. Zur Dämpfung der Schwenkbewegungen mit dem Hebel scheint eine Spiralfeder angebracht zu sein, deren Spannung sich mit einem Drehgriff regeln läßt. Das Filmmaterial im Gehäuse reicht für eine Minute. Der Sucher gibt den Bildausschnitt nur annähernd wieder. Die Studie zeigt den Tagesablauf eines Boxers namens Walter Cartier vor seinem großen Kampf. In seinem siebenseitigen Zeitschriftenbeitrag mit dem Titel Prizefighter ist er ihm mit zwanzig Schwarzweißfotos auf den Fersen. Die Kamera folgt ihm samt Freundin und Kofferradio zum Strand von Staten Island, zu einer Bootspartie, unter die Dusche, zum Wiegen und zur ärztlichen Untersuchung. Beim Kampf in Newark bedient ein Freund die zweite Kamera, um das Geschehen aus einem weiteren Blickwinkel zu erfassen.19 Weil die Gehäuse nur dreißig Meter Film aufnehmen, muß im Minutentakt aufgenommen, belichtetes Material ausgelegt und unbelichtetes eingefädelt werden. Der Kurzfilm läuft als Vorprogramm zu Meine verbotene Vergangenheit mit Robert Mitchum und Ava Gardner.
Ende 1952 kann Kubrick mit Fear and Desire in den Bergen bei Los Angeles seinen ersten langen Spielfilm inszenieren. Er findet ausdrucksstarke Blickwinkel, zeigt heftige Bewegungen, Bedrohung aus dem Hinterhalt. Ein Spähtrupp stürzt in einem Krieg jenseits der Zeit20 mit dem Flugzeug in einem Wald einige Meilen hinter den feindlichen Linien ab. Die vier Männer nehmen eine Frau als Geisel, erschießen sie auf der Flucht. Anschließend töten sie den feindlichen General und flüchten auf einem Floß. In ihren Feinden scheinen sie Zügen ihres eigenen Wesens zu begegnen, sich selbst zu bekämpfen. Zwei verfallen dem Wahnsinn. Kubrick dreht stumm auf Kinofilmmaterial. An einem Samstagmorgen hat er sich vom Verleiher des Gerätes zeigen lassen, wie der Film in die große schallgedämpfte Mitchell Kamera eingelegt wird. Leider gibt es noch keine leichten, hochpräzisen Tonaufnahmegeräte, deren Gleichlauf mit Quarzimpulsen sichergestellt ist. Der Pilotton zur Synchronisation von Tonband und Film ist noch nicht erfunden. Der ganze Streifen wird aufwendig nachvertont. Eine Stimme aus dem Off kommentiert das Geschehen auf der Leinwand. Später denkt er zurück : Schmerz ist ein guter Lehrer.21
Der Londoner Kritiker Gavin Lambert nennt den Film eine gewaltsame, unüberzeugende wenngleich deutlich aufrichtige Antikriegsstory.22 Die Filme des begabten jungen Mannes aus der Bronx ziehen die Aufmerksamkeit Hollywoods auf sich. Ein erster halbstündiger Farbfilm berichtet im Auftrag der Gewerkschaft internationaler Seeleute über das Arbeitsleben der Besatzung von US-Frachtschiffen im Atlantik. Kubrick schreibt, filmt, leitet und schneidet 1954 The Killer' s Kiss. Als Handkamera benutzt er eine nagelneue Arriflex 35IIA.23 Das Münchner Erzeugnis bietet die Möglichkeit eines parallaxenfreien, aufrechten, seitenrichtigen und mit dem Filmbild schärfenidentischen Sucherbildes.24 Der gewählte Bildausschnitt und das tatsächlich auf den Film belichtete Einzelbild stimmen zuverlässig überein. Handkameragänge mit kurzer Brennweite, Schwenks und Fahrten bringen keine störenden Scheinwerfer, Transportkisten oder Kabel auf das teure Negativ. Eine in 45° Schräglage rotierende verspiegelte Flügelblende reflektiert das vom Objektiv aufgenommene Bild während der Dunkelphase, also während des Filmtransportes.25 Der Mechanismus schwenkt vierundzwanzigmal in der Sekunde schwingungsfrei den Spiegel in die optische Achse und heraus, ohne daß die Kamera zu groß oder zu laut wurde oder zu schwierig zu halten und zu bedienen war.26 Das Bild fällt mit der gewählten Schärfentiefe durch die gleiche Optik abwechselnd auf den Film und eine kleine Mattscheibe, wo es durch eine Sucherlupe betrachtet werden kann.
Der Junge vom Lande schaut, während er auf den Zug zurück nach Seattle wartet, auf seine Niederlage im New Yorker Boxring zurück. Der Schwerathlet denkt an das Appartement in Downtown mit dem Elektrokocher neben dem Waschbecken und den zwei Goldfischen im Gurkenglas. Noch einmal lugt er zur blonden Nachbarin gegenüber, einer Miettänzerin im Palast des schmierigen Vincent Rapallo. Dieser Rivale besitzt einen offenen Straßenkreuzer und einen Fernsehapparat. Der nächtliche Times Square der Fünfziger Jahre entfaltet sich mit Neonschriften, angeheiterten Passanten, einem Pizzastand. Der Eingang eines Kinos blinkt mit tausend kleinen Lämpchen. Hollywood hat sich auf Cinemascope umgestellt. Farbige, panoramische Filme sind in Mode. Im Astor läuft die Königin von Saba. Andere Leuchtschriften werben für einen Film mit Tony Curtis, ein Kino mit Wochenschauen ein Automatenrestaurant, Fernsehgeräte, Budweiser, Cola und Erdnüsse.
Das Titra Sound Studio hat in der Eingangssequenz eine Klangmischung aus dem Fauchen und Pfeifen einer Dampflokomotive, dem Bimmeln einer Signalglocke, der Durchsage über den Bahnhofslautsprecher veranstaltet. Für die mikrophongerechte Erzeugung von Geräuschen gibt es Spezialisten, die - wie bei Spielfilm, Rundfunk oder Fernsehen - mit manchmal grotesk anmutenden Hilfsmitteln sich als Illusionisten bewähren.27 Der Hauptdarsteller spricht seine Gedanken als Hintergrundstimme. Beim Telefongespräch mit dem Manager ist erstmals lippensynchroner Ton nötig. Wenn Gloria in ihrem Zimmer Tee trinkt, erklingen die Violinen und das Absetzen der Tasse auf dem Unterteller. Im Treppenhaus tönt das einsame Saxophon. Die Füße auf der Treppe sind nicht im Bild, sodaß keine Synchronität erforderlich ist. Der Abgang zur U-Bahn ist mit dem passenden Geräusch eines Zuges versehen. Der Dialog zwischen dem ältlichen Liebhaber und der hübschen Blondine ist nachgesprochen. Der zu Beginn der Arbeit an jedem Take vorgeführte Originalton dient nur der Orientierung über die Absichten der Originalschöpfer und zur Erreichung der Synchronität. Danach wird er abgeschaltet und die Szene schauspielerisch neu aufgebaut.28
Der experimentelle Streifen wird Filmkennern ein Begriff. Kubrick war mit einem hochwertigen, handlichen Apparat unterwegs, hat Trainingsschläge gegen Sandsäcke und Punching Balls, die rasende Menge in der Boxarena, die blecherne Stimme des Stadionsprechers auf schmales Magnetband dokumentiert, um die atmosphärische Wirkung zu steigern. Motorengeräusche, das Surren des Tonbandgerätes, Schritte, Hupen, Bremsenquietschen und die Trillerpfeife eines Polizisten vom Broadway sind nicht nachträglich imitiert. Ein Fernsehbildschirm erleuchtet die Gestalt des hinterhältigen Schwerenöters von unten. Auf der kleinen runden Mattscheibe, erscheint vom Bildstrich durchzogen der Boxring. Eine lange Ballettszene illustriert den inneren Monolog der schönen Gloria. Das Negativ der Fahrt durch eine Straße entlang der Feuerleitern, Hydranten, Treppenaufgänge ist als Traum einmontiert. Hochempfindliches Filmmaterial erlaubt die Reise mit der U Bahn, dem chromglänzenden Cabriolet mit den geteilten Windschutzscheiben. Auf den Armaturen spiegelt sich der Takt der blinkenden Leuchtreklamen.
Eine Verfolgungsjagd führt über die Dächer der Lagerhäuser an den Kais des East River. Im Hintergrund spannt sich die Manhattan Bridge. Der Finsterling flüchtet über eiserne Feuerleitern. Zwei Männer schleppen die schwere Mitchell Kamera über eine schwankende schmale Stiege in die Höhe, oder heben sie aus dem Fenster im oberen Stockwerk auf eine luftige Plattform gegenüber den kletternden Schauspielern. Der Bildausschnitt ist nur sicher mit einer eingelegten kleinen Mattscheibe zu bestimmen, wenn noch kein Film in das Laufwerk der Kamera gespult ist. Der außen am Gehäuse angebrachte Sucher zeigt das Geschehen aufrecht und seitenrichtig, ist jedoch für eine genaue Begrenzung der aufgenommenen Szene nicht zu gebrauchen. Beim Wechsel der Objektive müssen bestimmte Masken in den Sucher geschoben werden, um die verschieden großen Bildwinkel anzuzeigen. Weil der Sucher eine Handspanne neben der Aufnahmeoptik befestigt ist, können bei langen Brennweiten oder sehr kurzen Entfernungen vom Objekt beträchtliche Abweichungen zwischen dem anvisierten und dem tatsächlich belichteten Bild auftreten.
Ein wutentbrannter Zweikampf tobt im verlassenen Lagerhaus für Schaufensterpuppen. Zuerst fliegen die Fäuste. Die leblosen Gestalten der Mannequins scheinen zu Hunderten an den Wänden zu lehnen. Harte Schatten ziehen über starre Körper, bizarre Gesten. Schräge Schlaglichter fallen auf starre Mienen. Ein hohler Rumpf dient als Wurfgeschoß. Gipserne Gliedmaßen wirbeln als Keulen, ein modischer Schädel trifft den Gegner am Kinn. Bald wird das erbitterte Ringen mit Axt und eisenbewehrter Holzstange ausgetragen. Der Böse fällt in Notwehr, das Happy End mit dem Kuß kann folgen. Die Kamerafahrten an der Pennsylvania Station verfolgen die Liebenden bis zu dieser Begegnung. Der Zwischenschnitt zu Gloria auf der Treppe aus der Untersicht wird am Ausgang auf der Westseite zur 8th Avenue aufgenommen. Die geradlinige Fahrt verharrt mit der Scharfstellung und der richtigen Belichtung auf den ausschreitenden Protagonisten. Während der Aufnahme wandert der Fluchtpunkt als Zentrum der Perspektive beständig im rechten Winkel zur Bewegung der Kamera. Hinter näher stehenden oder wandernden, schattenhaften Figuren liegen neue Bildelemente. Andere geraten aus dem Bildfeld und geben den Blick auf die kurzzeitig verdeckten Hauptpersonen frei.
Die fahrende Kamera täuscht die auf der Leinwand fehlende Raumtiefe vor. Unter dem Glasdach der Bahnsteighalle verschieben sich die Bildelemente des Vordergrundes im Verhältnis zu den rückwärtigen Gestalten und der genietete Gitterkonstruktion der Eisenträger. Kubrick beweist Gespür für die Architektur seiner Drehortes, eines Bauwerkes aus dem Jahre 1910, an dessen Stelle 1963 der Madison Square Garden errichtet wird. Bisher sichtbare, weitergelegene Dinge werden von näher gelegenen Bildelementen verdeckt, und vorher verdeckte Dinge werden dem Blick freigegeben. Die Dinge verschiedener Tiefe führen relative Bewegungen gegeneinander aus.29 United Artists erwirbt den Film nach seiner Fertigstellung zur Auswertung. Kubrick triumphiert : Keiner hat in dieser Zeit jemals einen Hauptfilm unter solchen Amateurbedingungen gemacht und dann einen weltweiten Vertrieb dafür gefunden.30 Das XII. Filmfestival von Locarno verleiht Kubrick den Preis für die beste Regie.31
The Killing, erzählt 1956 die Geschichte eines Kassenraubs aus der Männerwelt nächtlicher Kaschemmen, eines zwielichtigen Schachclubs, schäbiger Hinterzimmer und Bungalows. Fotos zeigen, daß bei den Dreharbeiten ein Pumpstativ benutzt wird, das nach dem Prinzip des Zahnarztstuhles gebaut ist. Diese Vorrichtung erlaubt, die Kamera schnell in der Höhe den Wünschen des Kameramannes anzupassen. Bewegungen können schwenkend, aufsteigend und absinkend ausgeführt werden. Der Trailer verspricht Spannung, Schrecken, Gewalt ! Aufpeitschende Musik von Gerald Fried erklingt zu den Außenaufnahmen von einer Galopprennbahn. Die Stimme des Sprechers im Hintergrund berichtet fortlaufend von der minutiösen Ausführung des phantastischen Verbrechens. Die Handlung wird aus dem zeitlichen Zusammenhang gerissen. Das selbe Geschehen wiederholt sich in verschiedenen Sichtweisen. Kubrick setzt lange Einstellungen mit tastenden, schleichenden Bewegungen ein, um die Spannung zu steigern. Schemenhafte Gestalten schieben sich wie zufällig zwischen fahrende Kamera und verfolgte Hauptfigur. Insgesamt drei Übeltäter bahnen sich diesen Weg durch die wartende Menge entlang der Wettschalter.
Das schnellste Pferd wird im vollen Lauf vor aller Augen erschossen. Die folgenden Jockeys stürzen. Die heillose Verwirrung erlaubt den Verschwörern, einen Banditen in das Wettbüro zu schleusen. Nur leise Trommelschläge, verstohlene Schritte und Handgriffe sind zu hören, als er sich vorbereitet, um die Einnahmen des größten Rennens der Saison mit vorgehaltener Flinte an sich bringen. Der generalstabsmäßig geplante Raub von zwei Millionen Dollar scheitert dennoch auf der ganzen Linie. Jeden Unhold, den korrupten Streifenpolizisten, den ängstlichen Kassierer, den kaltblütigen Gangster ereilt sein Schicksal. Die Beute zerstiebt im Wind der Propeller auf dem Flughafen. Der Thriller auf Low Budget - Niveau beweist Kubricks Witz, sein Gespür für die Inszenierung von Typen, die Gestaltung von Räumen und Situationen. Der Film verursacht Verluste in Höhe von 120.000 Dollar, bekommt jedoch international gute Kritiken. Gestaltung und menschliche Wärme heben diesen Film weit über die anderen Vertreter seines Genres, es ist dies wohl der beste amerikanische Kriminalfilm seit John Hustons Aspalt Jungle von 1949.32 In London gilt er als einer der zehn besten Filme des Jahres 1956.33 Die Schauspieler Gregory Peck und Marlon Brando interessieren sich für den Nachwuchsregisseur.34
Kirk Douglas sieht den Film, der für sehr wenig Geld gemacht war und sehr wenig Geld einbrachte. Der Mann aus Hollywood ist blond, grünäugig, beherrscht den Dialekt des Westerns, der Südstaaten, kann harte Boxer, Cowboys und Gangster spielen. In The Bad and the Beautiful verkörpert er einen gewissenlosen, unehrlichen aber talentierten Produzenten, der seiner Karriere die Schauspielerin, den Regisseur und den Drehbuchautor opfert. Der Hollywoodstar fragt den jungen Filmemacher Kubrick nach dessen weiteren Plänen. Kriminelle und Soldaten faszinieren ihn, weil sie von Anfang an zum Untergang verurteilt sind.35 Sein neues Projekt handelt von der Ruhmsucht im französischen Oberkommando während des Ersten Weltkrieges. Ein General erteilt um einer Beförderung willen den aussichtslosen Befehl, eine stark befestigte, Pickel genannte Stellung der Deutschen zu stürmen. Weil ihre Einheit nicht gehorcht hat, werden drei Soldaten von ihren Kompaniechefs befehlsgemäß ausgewählt; einer, weil ihn das Los bestimmt, einer, weil er für asozial gilt, einer, weil er um ein Versagen seines Leutnants weiß und dieser sich rächen will. Sie werden vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt, erschossen. Die Geschichte wirkt ernsthaft, endet unglücklich, ohne aufdringliche Lehren. Frauenrollen sind nicht vorgesehen. Der Stoff gilt in Hollywood als heiße Kartoffel.36 Douglas gefällt das Drehbuch, das schon überall abgelehnt worden ist. In seiner Autobiographie erinnert er sich, daß er beim ersten Treffen sagt : Stanley, ich glaube nicht, daß uns dieser Film jemals ein Fünfcentstück einbringt, aber wir müssen ihn machen. 37 Die Produktionsfirma Bryna betreut Kubricks ersten großen Film.38 Sie ist nach der Mutter von Kirk Douglas benannt.
Douglas drängt die United Artists, sich mit drei Millionen Dollar an Paths of Glory zu beteiligen. Der Verleih der Unabhängigen ist innerhalb weniger Jahre zur mächtigsten Gesellschaft Hollywoods aufgestiegen. Der Oberste Gerichtshof verlangt, daß die großen Filmgesellschaften wie MGM oder Fox ihre Theaterketten abstoßen.39 Die mächtigen Konzerne verlieren ihre sicheren Absatzmöglichkeiten. Die privatisierten Kinos sind nicht mehr gezwungen, geschlossene Staffeln von Filmen anzunehmen. Zum erstenmal seit Jahrzehnten haben freie Produzenten wieder eine Chance. Sie gründen mit Künstlern und Regisseuren selbständige Firmen außerhalb der großen Studios. Die neuen selbständigen Hersteller können nicht mit kolossalen Projekten aufwarten. Originelle und handwerklich saubere Ausführung verhelfen ihren kostengünstig hergestellten Filmen zu schnellerem Gewinn, als den Großfilmen. Oftmals ging es den Schauspieler-Produzenten darum, ihre Verhandlungsposition den Studios gegenüber zu stärken, zugleich jedoch halfen sie damit auch neuen wie etablierten Regisseuren und Drehbuchautoren.40 Die Gesellschaft des Kirk Douglas gehört zu den erfolgreichsten.
Humphrey Cobb versichert am Schluß seines Buches Wege zum Ruhm, alle Personen, Heereseinheiten und Schauplätze seien frei erfunden. Er verweist jedoch auf benutzte Quellen. Die Broschüre Die Verbrechen der Kriegsgerichte stammt von Georges Réau, einem Redakteur bei der Zeitung l' Humanité. Der Mitarbeiter von la Vie socialiste schildert den Anblick der Leichen von Soldaten, die beim Angriff 1915 seit fünf Monaten in den Stacheldrähten vor den Schützengräben hängen.41 Humphrey Cobb zitiert das fürchterliche Bild : eine Unmasse toter Körper, so dicht gesät, daß sie kaum voneinander zu trennen waren. Zerfetzt und faulend lagen sie in wildem Durcheinander oder hingen in den Drähten ein gräßlicher Berg menschlichen Fleisches. Hier und dort waren die Abzeichen der Tirailleure noch deutlich sichtbar.42
Der Journalist Réau berichtet von der Anweisung der Artillerie, auf die eigenen Männer zu feuern, dem Kriegsgericht, das überwiegend aus Etappenoffizieren besteht, der Exekution vor versammeltem Regiment. Das Buch erscheint 1925 mit einem Vorwort des Generalsekretärs der Liga für Menschenrechte. Ein Opfer der gnadenlosen Kriegsgerichte ist der Lehrer Théophile Maupas. Seine Witwe wendet sich einen Monat nach seinem Tod an die Liga für Menschenrechte. Sie kämpft für die Ehre ihres am 17.3. 1915 in Suippe an der Marne im Alter von 41 Jahren hingerichteten Gatten und seiner drei Leidensgenossen. Erst nach fast zwanzig Jahren, am 3.3. 1934 nimmt ein Militärgerichtshof das Verfahren wieder auf, studiert die Akten und vernimmt Zeugen.43 Ein weiterer Fall, der sich im Abschnitt von St. Mihiel abgespielt hat, wird aufgerollt.44 Die New York Times meldet am 2. Juli : Franzosen sprechen fünf Mann frei, die 1915 wegen Meuterei erschossen wurden. Zwei Witwen bekommen je 7 Cent Entschädigung.45 Blanche Maupas entwickelt sich zur entschiedenen Pazifistin.46 Ihr Buch Le Fusillé erscheint 1934. Jean Galtier - Boissière schreibt 1931 Die beispielhaft Erschossenen. Paul Allard veröffentlicht 1932 in Paris sein Buch über die Hintergründe des Krieges.
Kubrick findet Fotos, die von der Westfront im Ersten Weltkrieg stammen.47 Freunde, ein Oberkellner, ein Violinist stellen in geliehenen französischen Uniformen Szenen in den Wäldern nördlich New Yorks nach. Die dritte Fassung des Drehbuches datiert vom 25.2.1957.48 Kirk Douglas landet Mitte März in Frankfurt, ehe er nach München weiterfliegt49 Drehbeginn ist am 18.3.1957. Amerikaner drehen in München eine französische Kriegsgeschichte. Eine Pressemitteilung vom Anfang Mai beschreibt den Filmstoff :. Das heikle Thema : eine Befehlsverweigerung in der französischen Armee50 Ende des Monats lautet die neue Lesart Hintergründe und Folgen der schwersten Meuterei in der französischen Armee während des Ersten Weltkrieges.51 Der Wandel dürfte auf das von Kubrick geänderte Drehbuch zurückgehen, von dem Douglas sagt : Es war eine Katastrophe, die verbilligte Ausführung dessen, was ich für ein schönes Skript gehalten habe. Der Dialog war entsetzlich. Der General kommt in letzter Minute mit quietschenden Reifen angefahren, um die Erschießung zu unterbinden. Die Verurteilten sollen zu Gefängnisstrafen begnadigt werden, die vorherigen Gegner im Kriegsgericht schreiten beschwingt von dannen. Der Star stellt den Autor zur Rede. Dieser entschuldigt sich, er habe das Werk kommerzieller ausrichten wollen. Produzent Douglas ist außer sich und setzt durch, daß die ursprüngliche Fassung verfilmt wird. Stanley zuckte nie mit der Wimper.52
Der einleitende Schwenk über das Parterre östlich des Schlosses zeigt den Schauplatz. Ein schmaler, dunkelhaariger Junge, bar jeder Routine, voll neuer Ideen53 dreht seinen vierten, entscheidenden Film wegen des günstigen Dollarkurses im Frühjahr 1957 in Deutschland, in den Bavaria Studios in München Geiselgasteig, im nahe gelegenen Oberschleißheim und in Bernried am Starnberger See.54 Sein ambitioniertestes Werk soll ihm helfen, sich endgültig im Filmgeschäft durchzusetzen.55 Als militärischer Berater hilft der pensionierte Direktor des bayerischen Kriegsarchivs, Otto Freiherr von Waldenfels. Der Baron hat noch an den Kaisermanövern 1912 als berittene Ordonnanz teilgenommen. Als sehr wohl erzogener, gut begabter, gewissenhafter Offizier und Leutnant im 6. Cheveaulegers - Regiment ist er in den Ersten Weltkrieg gezogen. Die Verhältnisse in Lothringen, die Schlacht bei Ypern und die Stellungskämpfe in Flandern kennt er aus eigener Erfahrung.56 Wegen tapferen Verhaltens vor der Front ist der Sproß aus uradeligem oberfränkischem Geschlecht im Jahre 1919 mit hohen Auszeichnungen und zum Königlich Bayerischen Rittmeister ernannt in die Heimat zurückgekehrt. Im zweiten Weltkrieg wurde er als Heeresarchivar in Polen, Frankreich, Griechenland und in der UdSSR eingesetzt. 57
In Deutschland ist man seit Die Caine war ihr Schicksal auf mutige amerikanische Kriegsfilme neugierig. Dieser Film erlaubte dem Zuschauer, sich mit einer Meuterei zu identifizieren, die er selbst nie gewagt hätte, und bot ihm andererseits ein praktikables Alibi dafür, daß er es nicht gewagt hatte.58 Das Publikum sieht und hört selbst, daß der Kapitän geistesgestört und seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen ist. Es geht wie ein Zeuge in den folgenden Prozeß vor dem Kriegsgericht, bleibt den Angeklagten treu. Drei Psychiater der Marine bestätigen dem erfahrenen Vorgesetzten, daß er ein perfekter Offizier, völlig gesund und intelligent sei. Erst als sich Captain Queeg während der Verhandlung in paranoide Rage redet, wendet sich das Blatt. Die letzten Kriegsfilme aus Hollywood wie Verdammt in alle Ewigkeit, Feuertaufe, Ardennen 1944 haben enttäuscht als eine andere Art, den Krieg zu rehabilitieren. Die Zeitschrift Filmkritik hofft nun auf die Geschichte einer anderen Meuterei, die der achtundzwanzigjährige Produzent Jim Harris mit seinem gleichaltrigen Regisseur Stanley Kubrick eben in Geiselgasteig dreht.59
Bei den Dreharbeiten am einführenden Gespräch zwischen den beiden Generälen bezieht sich Kubrick ausdrücklich auf den vor vier Jahren vollendeten Film Madame de .... von Max Ophüls.60 Ein Crab Dolly hebt Kameramann, Assistenten und Aufnahmeapparatur zugleich in die Höhe, setzt beide in der Ebene in allen Richtungen in Bewegung. Der Zuschauer wähnt, mit den hohen Herrschaften im spätbarocken Umfeld Platz zu nehmen. Die Verbindung von Kamerawagen und kleinem Kran kann mit Muskelkraft geschoben, gesteuert, hydraulisch hochgepumpt oder abgesenkt werden. Die Vorrichtung fährt auf ebenem Grund erschütterungsfrei, beschleunigt und bremst langsam. Die Fahraufnahmen begleiten zwei Freunde, die sich in liebenswürdiger Unterhaltung anschicken, ihre Soldaten in den sinnlosen Tod zu schicken.
1Rainer Crone, Petrus Graf Schaesberg (Hrsg.) Stanley Kubrick, Still Moving Pictures, Fotografien 1945 1950, München 1999, S. 61
2Vincent Lo Brutto, Stanley Kubrick, A Biography, London 1998, S. 31
3Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 6
4Andrew Kelly, Cinema and the Great War, London 1997, S. 164
5http://www.stanleykubrick.de/de.php?img=img-l-6&kubrick=newsletter10
6Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 57
7Österreichische Galerie Belvedere, Unheimliche Heimat, Henry Koerner 1915 1991, Wien 1997, S. 24
8Werner Hofmann, Die Plastik des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 1958, S. 117
9Horst G. Feldt (Hrsg.), Der neue Film, Fachorgan für die Filmindustrie, Nr. 36 , Wiesbaden Biebrich 3.5.1957, S. 5
10Crone, Kubrick ..., a.a.O., S. 58
11Franz Josef Albersmeier (Hrsg.), Texte zur Theorie des Films, Stuttgart 1990, S. 84
12Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 14
13http://www.moma.org/collection/depts/film/index.html
14Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 57
15Amos Vogel, Film als subversive Kunst, St. Andrä Wördern 1997, S. III
16Geoffrey Nowell Smith, Geschichte des internationalen Films, Stuttgart 1998, S. 239
17http://www.google.de/maps?hl=de&q=state+lake&near=Chicago,+IL,+USA&cid=0,0,2485994785223419216&ll=41.885857,-87.627960&spn=0,.02&sa=X&oi=local&ct=image
18Walker Evans, First and Last, New York 1978, S. 202
19Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 62
20Glenn Erickson, 1999, http://www.dvdtalk.com/dvdsavant/s69desire.html
21Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 90
22Enno Patalas (Hrsg.), Filmkritik, Aktuelle Informationen für Filmfreunde, München 1957, 12/57, Reprint Frankfurt am Main 1975, S. 182
23Jorge Diaz-Amador, CinemaTechnic Camera Profiles, 2001, http://www.cinematechnic.com/resources/arri_35-2.html
24Weiss, Kino Technik ..., Heft 3, a.a.O., S. 72
25Christian Ilgner, Dietmar Linke, Filmmuseum Potsdam, Unsichtbare Schätze der Kinotechnik, Kinematographische Apparate aus dem Depot des Filmmuseums Potsdam, Berlin 2001, S. 39
26http://www.deutsches-museum.de/sammlungen/ausgewaehlte-objekte/meisterwerke-i/arriflex/
27Albert Wilkening, Heinz Baumert, Klaus Lippert (Hrsg.), Film, Leipzig 1966, S. 275
28Wilkening, Film ..., a.a.O., S. 275
29Wilkening, Film ..., a.a.O., S. 201
30Phillips, Encyclopedia ..., a.a.O., S. 198
31Munzinger Archiv, Internationales Biographisches Archiv 25/99, Ravensburg 1999
32Patalas, Filmkritik ..., a.a.O., 2/57, S. 28
33Munzinger Archiv ..., a.a.O., 25/99
34Joanne Stang, The New York Times Magazine, New York 12.10.1958, S. 36
35Stang, Times ..., a.a.O., S. 38
36Kelly, Cinema ..., a.a.O., S. 165
37Kirk Douglas, The Ragman's Son, An Autobiography, New York 1988, S. 273
38Phillips, Encyclopedia ..., a.a.O., S. 83
39Patalas, Geschichte ..., a.a.O., Bd. 2, S. 441
40Smith, Geschichte ..., a.a.O., S. 239
41R. - G. Réau, Les Crimes des Conseils de Guerre, Paris 1925, S. 33
42Cobb, Wege ..., a.a.O., S. 81
43http://fr.wikipedia.org/wiki/Affaire_des_caporaux_de_Souain
44The New York Times, New York 2.7.1934, S. 5
45Cobb, Wege ..., a.a.O., S. 199
46Jean Maitron (Hrsg.), Dictionnaire Biographique du Mouvement Ouvrier Français, Bd. 36, Paris 1990, S. 124
47Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 133
48Hans-Peter Reichmann, Ingeborg Flagge (Hrsg.), Stanley Kubrick, Ausstellung des Deutschen Filmmuseums, Kinematograph Nr. 19, Frankfurt am Main 2004, S. 55
49Feldt, Der neue Film, Nr. 24 ..., a.a.O., 21.3.1957, S. 2
50Feldt, Der neue Film, Nr. 36 ..., a.a.O., S. 5
51Feldt, Der neue Film, Nr. 44 ..., a.a.O., 30.5.1957, S. 8
52Kirk Douglas, The Ragman's Son, An Autobyography, New York 1988, S. 275
53Feldt, Der neue Film, Nr. 36 ..., a.a.O., S. 5S. 5
54Reichmann, Kubrick ..., a.a.O., S. 45
55Ulrich Gregor, Enno Patalas, Geschichte des Films 1940 1960, Bd. 2., Reinbek 1976, S. 451
56Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kriegsarchiv, Personalakt Nr. 58525, Otto Rudolf Hans Freiherr von Waldenfels
57Institut Deutsche Adelsforschung, 11.01.2001, http://home.foni.net/~adelsforschung/lex48.htm
58Patalas, Filmkritik ..., a.a.O., 6/57, S. 84
59Patalas, Filmkritik ..., a.a.O., 6/57, S. 86
60Lo Brutto, Kubrick ..., a.a.O., S. 138